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22.10.2016 18:30 Kloster Loccum, Refektorium 10,00

Einigkeit in der Verschiedenheit

Markus Becker, Lutz Krajenski, Propst Martin Tenge, Abt Horst Hirschler

31. Oktober 1999: In der evangelisch-lutherischen Kirche St. Anna in Augsburg unterzeichnen am Reformationstag Kardinal Edward Idris Cassidy, der Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, und der Präsident des Lutherischen Weltbundes Bischof Christian Krause die gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre. Die Kirchen der EKD stimmten der Erklärung zu, die römisch-katholische Kirche nahm sie in ihren Sammelband der dogmatischen Lehrstücke auf.
Wann ist der Mensch Gott recht? Das war der Streit zu Luthers Zeit. Allein aus dem Gottvertrauen auf Christus, sagten die Evangelischen. Nein, sagten die Katholiken, man braucht auch die guten Werke, die aus dem Glauben folgen, um Gott recht zu sein.
Die Gemeinsame Erklärung von 1999 brachte eine Annäherung der beiden Standpunkte. Geschehen ist seither nicht viel. Die Erklärung ist fast vergessen.
Nun beginnt mit dem Reformationstag 2016 das Lutherjahr 2017. Was kann das bringen? Bleiben wir in den Konfessionen weiterhin wie bisher getrennt? Wo können wir uns näher kommen? Wird das Reformationsjubiläum, weil wir die katholischen Christen nicht verärgern wollen, nur eine evangelische Leisetreterei? Und die Katholiken halten sich mit ihren wahren Gedanken ebenfalls zurück? Oder gibt es die Chance auf einen ehrlichen konstruktiven Streit, wo es redlich ist, und neue Schritte aufeinander zu?

Gespräch: Propst Martin Tenge, Abt D. Horst Hirschler

Musik: Markus Becker, Klavier, Lutz Krajenski, Hammond-Orgel

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Musik: Markus Becker, Lutz Krajenski

Im internationalen Konzertleben überzeugt Markus Becker seit vielen Jahren als gestaltungsmächtiger Interpret der Klavierliteratur von Bach bis Rihm, als ideenreicher Programmgestalter und profilierter Künstler, der im Jazz seine
zweite Heimat hat.
Markus Becker wird 1963 in einen musikalischen Haushalt hineingeboren. Schon als Dreijähriger verbringt er gerne Zeit an Tasteninstrumenten. Klavierunterricht erhält er zunächst bei Marton Keönch, später bei Heidi Köhler. Das Singen im Knabenchor Hannover, die Gründung erster Kammermusik-Ensembles, die Mitwirkung in Jazz- und Rockbands und die Komposition von Bühnenmusiken komplettieren den künstlerischen Erfahrungshorizont seiner Schulzeit. Nach ersten Preisen in verschiedenen Jugendwettbewerben beginnt Markus Becker 1982 das Klavierstudium bei Karl-Heinz Kämmerling in Hannover, flankiert von Meisterkursen bei Lew Vlasenko, Leon Fleisher und Fanny Waterman und ergänzt durch intensive Beschäftigung mit Kammermusik.
Weitere wichtige Anregungen erhält er über viele Jahre durch Alfred Brendel. Er gewinnt diverse nationale und internationale Preise, unter anderem den 1. Preis beim Internationalen Brahms-Wettbewerb Hamburg 1987.
Markus Becker setzt heute Maßstäbe mit den Konzerten von Bach, Beethoven, Brahms und Gershwin, aber auch mit Wiederentdeckungen wie Pfitzner, Hindemith, Draeseke, Widor oder den beiden Konzerten für die linke Hand von
Franz Schmidt. In seinen Soloprogrammen kontrastiert Markus Becker Wiederentdeckungen mit den großen  Standardwerken der Klavierliteratur. Als virtuoser Jazz- Improvisator ist er eine Ausnahmeerscheinung unter klassischen Pianisten.
Regelmäßig gastiert Becker beim Klavierfestival Ruhr, Schleswig-Holstein Musik Festival, Rheingau Musikfestival, Kissinger Sommer, Beethovenfest Bonn oder den Ludwigsburger Schlossfestspielen.
Markus Becker musiziert mit Orchestern wie den Berliner Philharmonikern, dem RSB Berlin, den Rundfunkorchestern des NDR, WDR und SWR, dem BBC Welsh Orchestra unter Dirigenten wie Claudio Abbado, Howard Griffiths, Michael
Sanderling, Steven Sloane , Marcus Bosch.
Beckers zentrales Anliegen ist die Kammermusik. Als Interpret, Professor und Festivalleiter widmet er sich diesem Feld mit besonderer Hingabe. Der Grenzbereich von musikalischer Individualität und gemeinsamer Suche nach
interpretatorischen Lösungen bildet den Kern seiner künstlerischen Arbeit.
Seine Partner sind hier u.a. Albrecht Mayer, Nils Mönkemeyer, Adrian Brendel, Igor Levit, Sharon Kam, Alban Gerhardt, Tabea Zimmermann. Kammermusik steht auch im Mittelpunkt der Lehrtätigkeit von Markus Becker: Seit 1993 ist er Professor an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover. Hier leitet er eine Klasse von Pianisten und Kammermusik-Ensembles, die immer wieder durch Wettbewerbserfolge auf sich aufmerksam machen. Er ist Direktor des Instituts für Kammermusik und Leiter des jährlichen Kammermusikfestivals an seiner Hochschule.
Für seine CD-Einspielungen erhält Becker gleich dreimal den ‚ECHO-Klassik’ sowie den Preis der Deutschen Schallplattenkritik und den „Editor´s choice“ im britischen Fachblatt GRAMOPHONE. Aufnahmen erscheinen bei EMI, Decca, cpo und Thorofon mit Werken von Brahms, Schumann, Bach, Beethoven, Dussek und George Antheil. Markus Becker produziert heute seine Aufnahmen überwiegend beim englischen Label hyperion. Hier erschienen in kurzer Folge die Cellosonaten von Max Reger (mit Alban Gerhardt), Klavierkonzerte von Draeseke, Jadassohn und Widor, Kammermusik von Erwin Schulhoff und zuletzt Regers Bearbeitungen Bachscher Orgelwerke Als legendär gilt bereits heute Beckers Gesamteinspielung des Klavierwerks von Max Reger auf insgesamt 12 CDs (Thorofon). Das FonoForum urteilt über diese enzyklopädische Großtat: „Eine der seltenen wahrhaft großen Leistungen deutscher Pianistik der letzten fünfzig Jahre“.

Lutz Krajenski, geboren 1972, macht bereits seit seinem vierten Lebensjahr Musik und ist heute als Pianist, Organist, Bandleader und Arrangeur tätig. Dabei arbeitete er bereits mit Künstlern wie Omar, Inga Rumpf, Roachford oder Tom Jones zusammen. 2001 gründete er die Lutz Krajenski Big Band. Als der Sänger Roger Cicero im Jahr 2005 seine Solokarriere startet, ist Lutz Krajenski als musikalischer Direktor, Pianist, Arrangeur und Bandleader seiner Big Band von Anfang an dabei. Im letzten Jahr begann die Zusammenarbeit mit dem Schauspieler und Sänger Ulrich Tukur im Rahmen der Produktion "Mezzanotte-Lieder einer Nacht". Ende 2011 erschien das Album "Lutz Krajenski Big Band meets Juliano Rossi" sowie das neue Album von Jasmin Tabatabai "Eine Frau", bei dem Lutz Krajenski für alle Arrangements verantwortlich war und für welches Jasmin Tabatabei 2012 den begehrten „Jazz-Echo“ als beste Sängerin gewann. 2014 Erschien nach mehr als zweijähriger Arbeit das Album „La Soulution“ von Lutz´ eigener Band SALT, in der er gemeinsam mit der wunderbaren Sängerin Myra Maud Karibik, Jazz und Soul vermischt.

Gespräch: Probst Martin Tenge, Abt Horst Hirschler

Propst Martin Tenge ist seit 2008 Regionaldechant in Hannover. Er leitet zusammen mit dem Dekanatspastoralrat das Dekanat Hannover. Als Vertreter des Bischofs vor Ort ist er Vorgesetzter der kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Dialogpartner für die Stadtgesellschaft. Als Propst ist er qua Amt rector ecclesia der Propsteikirche St. Clemens und Vorsitzender des Verwaltungsausschusses der Basilika. Darüber hinaus leitet er den Beratungskreis St. Clemens, der sich um die pastoralen Aufgaben an der Basilika kümmert und zugleich die Aufgaben des Kirchortteams für St. Clemens übernimmt. Im von ihm geleiteten Liturgiekreis werden alle Fragen um die Gottesdienste und der liturgischen Gestaltung in der Basilika einschließlich der Krypta beraten.

D. Horst Hirschler wurde am 4. September 1933 in Stuttgart als Sohn eines Elektromeisters geboren und wuchs in Korntal (bei Stuttgart), Hildesheim und Soltau auf. Nach dem frühen Tod des Vaters durchlief Hirschler nach der mittleren Reife eine Elektrikerlehre. Später holte er auf dem Abendgymnasium das Abitur nach und studierte anschließend Theologie in Bethel, Tübingen, Heidelberg und Göttingen.
1960 begann er sein Vikariat in Syke (bei Diepholz) und war anschließend im Predigerseminar in Hildesheim. Von 1962 bis 1965 war er Schülerpastor der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers, dann Gemeindepastor in Lüneburg und Deutsch Evern. Ab 1970 wirkte er als Konventual-Studiendirektor des Klosters Loccum im dortigen Predigerseminar der Ev.-luth. Landeskirche Hannover. 1977 ging Hischler als Landessuperintendent nach Göttingen, wo er auch an der Universität Göttingen einen Lehrauftrag für evangelische Predigtlehre übernahm. Dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gehörte er von 1991 bis 1997 an. Dort war er unter anderem für Fragen der Militärseelsorge und der Kriegsdienstverweigerung zuständig. 1988 wurde Hirschler zum neuen Landesbischof der evangelischen Landeskirche Hannover gewählt, mit 3,4 Millionen Mitgliedern die größte Landeskirche in Deutschland. Als neuer Landesbischof engagierte er sich für die Verständigung zwischen Lutheranern und Katholiken. Vor klaren, gelegentlich auch unpopulären, Stellungnahmen schreckte er nicht zurück. Kontrovers diskutiert u. a. wurde im Zusammenhang mit dem Golfkrieg 1991 Hirschlers Standpunkt, einen militärischen Einsatz könne man nach Ausschöpfung aller anderen Möglichkeiten als letztes Mittel zur Wiederherstellung des Friedens in Betracht ziehen.
1993 wurde er neben dem Bischofsamt zum neuen Leitenden Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) gewählt. In der 8. Generalsynode (1994) verteidigte er das Kirchenasyl für Asylbewerber und erklärte, es gehe dabei nicht um Widerstand gegen die Rechtsordnung, sondern um einen Beistand für Bedrängte, der Christenpflicht sei. Er kam auch an den Ort der Katastrophe von Eschede, um Betroffenen und Helfern Trost zu geben. Große Verdienste erwarb sich Hirschler um die evangelische Publizistik. Bis zur Einstellung im Jahr 2000 war Hirschler Herausgeber des "Deutschen Allgemeinen Sonntagsblattes" und trug entscheidend zur Gründung und zum Aufbau der Zeitschriften "Chrismon" und "zeitzeichen" bei. Sein Verhältnis zum Staat war von der Verantwortung der Kirche für den Menschen und das Gemeinwesen bestimmt. Er trat für den Gottesbezug in der Niedersächsischen Landesverfassung ein, um zu unterstreichen, dass nicht der Mensch letzter Maßstab für politisches Handeln sei. Hauptsächlich sein Verdienst ist auch, dass die Kirche auf der Expo 2000 direkt an der zentralen Plaza in Nachbarschaft des deutschen Pavillons durch den modernen Christus-Pavillon präsent war.
An seinem 66. Geburtstag schied Hirschler am 4. September 1999 aus dem Amt des Landesbischofs aus und wurde 2000 neuer Abt des evangelischen Klosters zu Loccum.

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